Der unsichtbare Feind
C. ist 42 und offensichtlich nicht zufrieden mit ihrem Leben. Wenn sie morgens zur Arbeit erscheint, mault sie ersteinmal solange herum, bis auch alle anderen keine Lust mehr zur Arbeit haben. Kollektiv geht alles besser, auch das Jammern.
Wenn sich dann alle richtig schlecht fühlen und festgestellt haben, unter welch schrecklichen Bedingen sie arbeiten, werden sie noch trauriger. Manche haben sogar richtig Tränen in den Augen.
Ich muss vielleicht hinzufügen, dass C. nicht in einem Kohlebergwerk oder einer Chemiefabrik arbeitet, auch ist sie weder Friseurin noch Kellnerin. Sie macht sich weder die Hände schmutzig noch den Rücken krumm, wird nicht sexuell belästigt am Arbeitsplatz und sieht sich auch sonst keinen großen Anstrengungen ausgesetzt, wenn man mal von ihrer eigentlichen Tätigkeit absieht. Nehmen wir mal an, sie sitzt am Kartenschalter einer großen Konzertagentur. Ich sitze neben ihr, und das Kartenabreißen macht mir wirklich große Freude. Ich habe immerhin 8 Jahre studiert, um diesen Beruf irgendwann einmal ausüben zu können. Eine Schufterei war das, das können Sie glauben...Jedenfalls, was wollte ich sagen...
Meine Arbeit macht mir Freude. Und ich könnte zufrieden sein, wäre da nicht C., die jeden Tag mault. Was mich irgendwann zu der Frage führt: Warum geht sie denn nicht einfach?
Wir wissen immer instinktiv, was das Beste für uns ist. Wenn es uns irgendwo nicht gefällt, warum gehen wir nicht einfach woanders hin? Warum bleiben wir an Orten, wo wir nicht zu Hause sind? Warum lieben wir Männer, die anderswo zu tun haben? Warum...
Kaufen wir Schuhe, wählen wir die 38, weil wir wissen, wir haben eine 38. Kein Mensch käme auf die Idee, sich in eine 35 zu zwängen und dann fortwährend zu jammern, dass ihm der Zeh drückt. Nur mal so zum Vergleich.
Ist es nicht in unserer Natur, wie auch in der aller anderen Tiere, dahin zu gehen, wo wir am besten genährt werden? Sei es nun von Liebe, Mc Donalds oder Hochkultur? Und wenn es doch so leicht ist, (wir müssen ja nur gehen), warum tun wir es dann nicht? Wer oder was hält uns gefangen in Strukturen, die uns gar nicht passen, oder schlimmer noch, die uns gar nicht haben wollen? In denen wir Fremdkörper sind? In denen wir solange maulen, bis auch alle anderen sich dort fremd fühlen?
Mir ist schon klar, dass da unsichtbare geheime Kräfte walten. Tiefenspychologisches Gewaber sozusagen. Trotzdem muss man ihnen vielleicht einfach nur einen Namen geben. Jemand Kluges hat nämlich mal gesagt, wenn man den Feind beim Namen nennt, wird er sichtbar für uns.
Wenn ich also einen Namen hätte, müsste ich ihn nur C. verraten. Die würde dann gehen, und alle wären glücklich.
Aber irgendwer mault ja immer.

Wenn sich dann alle richtig schlecht fühlen und festgestellt haben, unter welch schrecklichen Bedingen sie arbeiten, werden sie noch trauriger. Manche haben sogar richtig Tränen in den Augen.
Ich muss vielleicht hinzufügen, dass C. nicht in einem Kohlebergwerk oder einer Chemiefabrik arbeitet, auch ist sie weder Friseurin noch Kellnerin. Sie macht sich weder die Hände schmutzig noch den Rücken krumm, wird nicht sexuell belästigt am Arbeitsplatz und sieht sich auch sonst keinen großen Anstrengungen ausgesetzt, wenn man mal von ihrer eigentlichen Tätigkeit absieht. Nehmen wir mal an, sie sitzt am Kartenschalter einer großen Konzertagentur. Ich sitze neben ihr, und das Kartenabreißen macht mir wirklich große Freude. Ich habe immerhin 8 Jahre studiert, um diesen Beruf irgendwann einmal ausüben zu können. Eine Schufterei war das, das können Sie glauben...Jedenfalls, was wollte ich sagen...
Meine Arbeit macht mir Freude. Und ich könnte zufrieden sein, wäre da nicht C., die jeden Tag mault. Was mich irgendwann zu der Frage führt: Warum geht sie denn nicht einfach?
Wir wissen immer instinktiv, was das Beste für uns ist. Wenn es uns irgendwo nicht gefällt, warum gehen wir nicht einfach woanders hin? Warum bleiben wir an Orten, wo wir nicht zu Hause sind? Warum lieben wir Männer, die anderswo zu tun haben? Warum...
Kaufen wir Schuhe, wählen wir die 38, weil wir wissen, wir haben eine 38. Kein Mensch käme auf die Idee, sich in eine 35 zu zwängen und dann fortwährend zu jammern, dass ihm der Zeh drückt. Nur mal so zum Vergleich.
Ist es nicht in unserer Natur, wie auch in der aller anderen Tiere, dahin zu gehen, wo wir am besten genährt werden? Sei es nun von Liebe, Mc Donalds oder Hochkultur? Und wenn es doch so leicht ist, (wir müssen ja nur gehen), warum tun wir es dann nicht? Wer oder was hält uns gefangen in Strukturen, die uns gar nicht passen, oder schlimmer noch, die uns gar nicht haben wollen? In denen wir Fremdkörper sind? In denen wir solange maulen, bis auch alle anderen sich dort fremd fühlen?
Mir ist schon klar, dass da unsichtbare geheime Kräfte walten. Tiefenspychologisches Gewaber sozusagen. Trotzdem muss man ihnen vielleicht einfach nur einen Namen geben. Jemand Kluges hat nämlich mal gesagt, wenn man den Feind beim Namen nennt, wird er sichtbar für uns.
Wenn ich also einen Namen hätte, müsste ich ihn nur C. verraten. Die würde dann gehen, und alle wären glücklich.
Aber irgendwer mault ja immer.

Terpsichore - 8. Aug, 15:09
20 Kommentare - 757 mal gelesen - Kommentar verfassen
ConAlma - 9. Aug, 09:51
das richtige im falschen
Es gibt kein Richtiges Leben im Falschen, oder wie war das noch mal? Selbst wenn ich etwas GERN tue, muss es noch lang nicht das RICHTIGE sein. Denn die Gründe fürs Gern sind in tiefen Seelengründen verborgen, und am Ende stehtst du da und tatest alles gern und's war doch nicht für dich.
Terpsichore - 9. Aug, 12:42
*nickt*
parallalie - 9. Aug, 22:04
gern das falsche ungern tun : weil da immer jemand ist : der ist nicht du : und dennoch auf dem bist bestehen
Terpsichore - 10. Aug, 13:19
Oder wie Heidegger bezüglich der jasperschen Subjekt-Objekt-Spaltung folgert:
Der Grundsinn der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt ... ist Spaltung. Das hat nur Sinn, wenn als Grundwirklichkeit das Ungespaltene angesetzt ist.
Der Grundsinn der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt ... ist Spaltung. Das hat nur Sinn, wenn als Grundwirklichkeit das Ungespaltene angesetzt ist.
wasserfrau - 10. Aug, 13:42
Oha
Wo es sich ursprünglich nur um eine witzig beschriebene nervige Dame zu handeln schien ... scheint sie auf einmal das gesamte Gerüst der misslungenen Subjektivität der Moderne aufzuspannen.
Dieses "alles genau falsch rum": Spieglein an der Wand. Exaktester Anti-Buddhismus oder sein genaues Vorstadium...
Dieses "alles genau falsch rum": Spieglein an der Wand. Exaktester Anti-Buddhismus oder sein genaues Vorstadium...
Terpsichore - 10. Aug, 15:01
Es geht niemals nur um die Geschichte, oder das Phänomen, es geht immer zugleich auch um das Zugrundeliegende.
Das mit dem "alles genau falsch rum" müssten Sie näher erklären, zumal Ihr Bild mit dem Spiegel falsch ist, dass ein Spiegelbild falsch sein kann.
Ach herrlich, diese Paradoxien....
Das mit dem "alles genau falsch rum" müssten Sie näher erklären, zumal Ihr Bild mit dem Spiegel falsch ist, dass ein Spiegelbild falsch sein kann.
Ach herrlich, diese Paradoxien....
Sun-ray - 10. Aug, 16:04
Nein, vermutlich würde sie nicht gehen.
Denn wie auch immer der passende Name lautete,
er wäre im Klang ungemein viel kleiner
als vertrautes und persönliche Bedeutung
suggerierendes Schmerz- und Angstgebäude.
Letzteres braucht man bloß krähend betreten,
um sich wichtig zu fühlen
und Bestätigung der eigenen Wichtigkeit zu erhalten.
Ein passender Name dagegen
drängt auf Hausputz in eigener Hütte.
Seelenmessis arrangieren sich
lieber mit gehortetem Unglück,
als Entrümpelung auch nur anzudenken.
U.a. deshalb, weil es sich so einfach
auf andere umverteilen lässt.
Denn wie auch immer der passende Name lautete,
er wäre im Klang ungemein viel kleiner
als vertrautes und persönliche Bedeutung
suggerierendes Schmerz- und Angstgebäude.
Letzteres braucht man bloß krähend betreten,
um sich wichtig zu fühlen
und Bestätigung der eigenen Wichtigkeit zu erhalten.
Ein passender Name dagegen
drängt auf Hausputz in eigener Hütte.
Seelenmessis arrangieren sich
lieber mit gehortetem Unglück,
als Entrümpelung auch nur anzudenken.
U.a. deshalb, weil es sich so einfach
auf andere umverteilen lässt.
Sun-ray - 10. Aug, 16:10
Fällt mir eben noch ein:
Nicht selten macht's mehr Sinn,
wenn die gehen,
denen fremder Seelenmüll zu belastend wird.
Nicht selten macht's mehr Sinn,
wenn die gehen,
denen fremder Seelenmüll zu belastend wird.
Terpsichore - 10. Aug, 17:34
Es macht sogar großen Sinn. Die Frage "Warum gehen wir nicht einfach...." stellt sich allerdings ebenso für die
Fragestellerin. Um es genau zu nehmen, hat sie die Frage sich selbst gestellt, sie brauchte nur Frau C. als Alibi.
Fragestellerin. Um es genau zu nehmen, hat sie die Frage sich selbst gestellt, sie brauchte nur Frau C. als Alibi.
Sun-ray - 10. Aug, 19:41
;)
federweiss - 12. Aug, 13:18
Idealzustand.
Warum nicht?
... weil nach Prüfung aller Alternativen, der Status Quo dem ersehnten Idealzustand am nächsten ist?
Ideale sind utopisch (?).
Immer dort sein, wo ist.
Jetzt.
... weil nach Prüfung aller Alternativen, der Status Quo dem ersehnten Idealzustand am nächsten ist?
Ideale sind utopisch (?).
Immer dort sein, wo ist.
Jetzt.
Sun-ray - 12. Aug, 13:28
Ist Status Quo nicht auch Utopie?
federweiss - 12. Aug, 14:23
...
wenn die Gegenwart als unbestimmter Zustand zwischen vergangenen ... und Zukunft mit einer Zeiteinheit ...begrenzt wird, also status quo mess- , zähl- oder betrachtbar IST, fehlt die Tragik der Unrealsierbarkeit oder?
Terpsichore - 12. Aug, 20:11
Ah, nein.
Für mich ist die Gegenwart bestimmt, und bestimmend, sie zwingt die Protagonisten in bestimmte Strukturen. Die Zukunft ist unbestimmt, und sie wird um so unbestimmter, je weiter man sich von der Gegenwart bestimmen lässt und die Utopie bzw. Ideale aufgibt. Nichthandeln ist die eigentliche Tragik, denn dass der Status Quo dem Idealzustand am nächsten käme, wäre erst einmal zu überprüfen, dazu müsste man... gehen.
Sun-ray - 12. Aug, 20:40
Entschuldigung, aber ich hab's gern leicht verständlich.
Wo Leben herrscht, mag es Sackgassen geben,
aber ganz sicher keinen Status Quo.
Weil solcher mit Leben unvereinbar ist.
Ansonsten stimme ich Ihnen zu, Federweiß:
Tragik ist ein Konstrukt,
das sich von spezifischen Vergangenheitsteilen nährt
und auf ebenfalls spezifische Zukunft spekuliert.
Weshalb sie grundsätzlich kontraproduktiv
mit Gegenwart verfährt.
Wo Leben herrscht, mag es Sackgassen geben,
aber ganz sicher keinen Status Quo.
Weil solcher mit Leben unvereinbar ist.
Ansonsten stimme ich Ihnen zu, Federweiß:
Tragik ist ein Konstrukt,
das sich von spezifischen Vergangenheitsteilen nährt
und auf ebenfalls spezifische Zukunft spekuliert.
Weshalb sie grundsätzlich kontraproduktiv
mit Gegenwart verfährt.
Terpsichore - 12. Aug, 20:43
Na, sag ich doch! :-)
Aha.