Mir ist dieses Deportation. Das wäre schlimm zu gewollt; zu wuchtig.
Natürlich ist immer irgendwie alles lächerlich, wenn man an so etwas denkt. Oder wie Thomas Bernhard sagte "Es ist nichts zu loben, nichts anzuklagen, aber es ist vieles lächerlich; es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt". Aber darum kann es doch nicht immer gehen, oder?
Doch, doch, um den Tod geht es, wenn ich gerade meine Lektüre richtig verstehe. Um die Vertikalspannungen. Der Mensch als das einzige Tier, das den Tod voraus weiß.
Ich gebe mein PS nur in kleinen Portionen preis:))
@Gregor K. "Aber darum kann es doch nicht immer gehen, oder?"
Sehen Sie, es geht nicht um Relativierung wie in Bernhards Zitat. Es geht um einen Brückenschlag vom Alltag zurück in die Vergangenheit einer Stadt und der Tragik ihrer Menschen. (Ich frage mich sehr oft bei alten Menschen hier in der Stadt, wo sie damals waren und was sie gemacht haben, wie sie damit leben, ich versuche es an ihren Gesichtern zu erkennen. Ich weiß, das ist verrückt...) So wuchtig einem das manchmal ins Bewusstsein schlägt, ja schlagen muss, so wuchtig kann ein Satz gar nicht sein. Insofern: Es wird und muss immer darum gehen: Erinnerung.
@Terpsichore
Mir ist diese Verbindung zu gewollt und zu didaktisch. Es erinnert an Sprüchen aus meiner Kinderzeit, als mit den "hungernden Negerkindern" argumentiert wurde, damit ich esse, nur um etwas aufzuessen. Ständig soll die weltmoralische Dimension mitbedacht werden. Evangelisches Pfarrhaus sozusagen (ich bin ich einem agnostischen Haus aufgewachsen). Beim Stromausfall denkt man nicht an den Wahnsinn des eigenen "Stromkonsums" (das wäre die erste Ebene, die hier ein bisschen berührt wird), an gesellschaftlicher Revolution (zweite Ebene), sondern gleich an "Deportation".
Ich dachte, ich hätte es erklärt (oben). Kaffee neben Deportation zu stellen ist ein Kunstgriff, ein literarischer. Ein Anlass. Mehr nicht. Er zeigt nicht zwingend die Notwendigkeit, bei Kaffeekonsum an Deportation zu denken.
Es geht auch gar nicht um Weltdimension. Im Gegenteil. Klein, diese Stadt ist klein. So klein, dass man sich eben bei Stromausfall trifft auf der Straße, in ein Gesicht schaut und damit in die Geschichte.
Wenn bei Ihnen Essen und hungernde Negerkinder nebeneinandergestellt wurden, und zwar zweckbestimmt, dann tut mir das leid für Sie, und das ist natürlich weitgegriffen. Der Unterschied ist vielleicht der: Sie leben nicht in Afrika!
Edit: Trotzdem respektiere ich natürlich Ihre Meinung zu dieser Geschichte.
Nochmals Edit: Mir fällt noch etwas ein. Würde der Titel "Kein Kaffee" heißen, ohne den Zusatz: "in W.", würde ich Ihnen absolut Recht geben, und dann würde ich es beim Lesen ebenso empfinden wie Sie. Das W. ist entscheidend. Vielleicht muss man in W. leben, um so etwas direkt nebeneinander stellen zu können. Weil es in W. eben immer nebeneinander steht.
@Terpsichore
Dass es ein literarischer Kunstgriff ist, war natürlich klar. Aber er ist eben in Anbetracht dieser Miniatur m. E. nicht gelungen.
Das "in W." erschließt sich dem Leser gar nicht, der nicht weiß, welche Stadt "W." ist. Und selbst wenn es klar wäre, welche Stadt "W." ist (mir ist es relativ klar), so wäre es abermals absurd, den Namen der Stadt fortlaufend immer nur noch bzw. immer gleich mit in Verbindung mit dem Lager zu denken (genau so unsinnig, wie es ist, den Ort "W."immer nur in Bezug auf das andere Ereignis zu "denken").
(Vor rd. 12 Jahren ergab es sich einmal, dass ich beruflich mit einem Kunden in Oswieczim zu tun hatte. Eine Firma, die etwas von der deutschen Firma, in der ich arbeitete, kaufen wollte. Wie hier vorgehen? Soll man sich aus Pietät vielleicht zurückziehen? Sollte ich fragen, warum man denn von einer deutschen Firma kaufte [der Grund war banal: der polnische Lieferant konnte nicht liefern]? Im nachhinein die Feststellung: Wie konditioniert muss man eigentlich sein, solche Fragen zu stellen?)
So absurd wie Ihnen das erscheint, so folgerichtig ist es nun mal in meinem Denken und Empfinden. Es steht ja nicht umsonst in der Rubrik Tagebuch. Meine persönliche Absurdität sozusagen.
Sie sagen, es ist unsinnig, den Ort "W." immer nur in Bezug auf das "Ereignis" zu "denken". Ich sage: Es ist mir nicht mehr möglich, den Ort W. ohne dieses Ereignis zu denken. Ich kann die Menschen, speziell die alten, mir nicht mehr ohne dieses Ereignis denken. Vor allem dann nicht, wenn sie aus einer vermeintlichen Katastrophe eine tatsächliche machen wollen, wie gestern. So persönlich sie in diesem Moment auch sein mag.
Es ist der Tod jeglicher Argumentation, mit persönlichen Motiven zu kontern. Mir tut es leid, wenn Leute nur noch reflexartig reagieren können. Ich finde es falsch, bestimmte Begriffe, Namen und/oder Orte auf Dauer in eine Art Quarantäne zu stellen und so unzugängig zu machen. Ich finde es falsch, die Assoziationen zu kanonisieren und als einzig mögliche Lesart zu konservieren.
Mit dem gleichen Furor hätten Sie die unzulässige Vereinnahmung des Stromausfalls als Katastrophe auch mit einer Naturkatastrophe oder einem Unglück assoziieren können. Dass Sie es nicht gemacht haben, resultiert ja aus Ihrer Sozialisation, Ihrem Empfinden, Ihrer historischen Einbindung, usw. Es wäre aber für mich ein ebenfalls falsches Bild gewesen. Meines Erachtens greift auch der Einwand, dass es sich hier um ein "Tagebuch" handele, nicht. Steht ein solcher Text daher unter Schutz?
Da ich aber akzeptiere, dass Sie Kritik in dieser Form nicht wünschen und sogar als persönlichen Angriff betrachten, werde ich mich hier auf Ihrem Blog nicht mehr äussern.
Ich stelle Ihnen ausdrücklich frei, den Teil meiner Kommentare zu löschen.
Jede Argumentation ist zunächst einmal persönlich motiviert, auch Ihre.
Sie greifen eine Tagebuchgeschichte auf, schreiben dazu, was Ihnen nicht gefällt, und ich argumentiere, warum ich es trotzdem so schrieb. Schreiben MUSSTE. Was anderes kann ein Tagebuch denn sein, als persönlich?
Es bleibt Ihnen ja unbenommen, das nicht gut zu finden, das schrieb ich bereits oben, dass ich Ihre Kritik akzeptiere.
Sogar ohne sie vollkommen verstanden zu haben. Schon gar nicht als persönlichen Angriff, wie Sie vermuten.
Ich versuche nur, den Unterschied in unserer Motivation bei diesem Thema herauszufinden. Sie schrieben über Polen. Ich lese: Sie fühlen sich schuldig. Konditioniert. Ich nicht. Ich nehme übel.
Vielleicht verstehe ich später einmal, was Sie mir eigentlich sagen wollten. Ich betrachte nicht. Ich bin drinnen. Und da radikal. Das macht es sicher nicht einfacher.
Sie dürfen hier immer schreiben und kritisieren, ich sehe gar keinen Grund, das zu löschen. Sie müssen aber auch aushalten, dass ich mit meinen Mitteln und meiner Sprache argumentiere.
Das Weblog TERPSICHORE
wird vom Deutschen Literaturarchiv Marbach archiviert und der Öffentlichkeit auch andernorts zugänglich gemacht. Mitschreibende erklären sich einverstanden.
Natürlich ist immer irgendwie alles lächerlich, wenn man an so etwas denkt. Oder wie Thomas Bernhard sagte "Es ist nichts zu loben, nichts anzuklagen, aber es ist vieles lächerlich; es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt". Aber darum kann es doch nicht immer gehen, oder?
Ich gebe mein PS nur in kleinen Portionen preis:))
"Aber darum kann es doch nicht immer gehen, oder?"
Sehen Sie, es geht nicht um Relativierung wie in Bernhards Zitat. Es geht um einen Brückenschlag vom Alltag zurück in die Vergangenheit einer Stadt und der Tragik ihrer Menschen. (Ich frage mich sehr oft bei alten Menschen hier in der Stadt, wo sie damals waren und was sie gemacht haben, wie sie damit leben, ich versuche es an ihren Gesichtern zu erkennen. Ich weiß, das ist verrückt...) So wuchtig einem das manchmal ins Bewusstsein schlägt, ja schlagen muss, so wuchtig kann ein Satz gar nicht sein. Insofern: Es wird und muss immer darum gehen: Erinnerung.
Mir ist diese Verbindung zu gewollt und zu didaktisch. Es erinnert an Sprüchen aus meiner Kinderzeit, als mit den "hungernden Negerkindern" argumentiert wurde, damit ich esse, nur um etwas aufzuessen. Ständig soll die weltmoralische Dimension mitbedacht werden. Evangelisches Pfarrhaus sozusagen (ich bin ich einem agnostischen Haus aufgewachsen). Beim Stromausfall denkt man nicht an den Wahnsinn des eigenen "Stromkonsums" (das wäre die erste Ebene, die hier ein bisschen berührt wird), an gesellschaftlicher Revolution (zweite Ebene), sondern gleich an "Deportation".
Es geht auch gar nicht um Weltdimension. Im Gegenteil. Klein, diese Stadt ist klein. So klein, dass man sich eben bei Stromausfall trifft auf der Straße, in ein Gesicht schaut und damit in die Geschichte.
Wenn bei Ihnen Essen und hungernde Negerkinder nebeneinandergestellt wurden, und zwar zweckbestimmt, dann tut mir das leid für Sie, und das ist natürlich weitgegriffen. Der Unterschied ist vielleicht der: Sie leben nicht in Afrika!
Edit: Trotzdem respektiere ich natürlich Ihre Meinung zu dieser Geschichte.
Nochmals Edit: Mir fällt noch etwas ein. Würde der Titel "Kein Kaffee" heißen, ohne den Zusatz: "in W.", würde ich Ihnen absolut Recht geben, und dann würde ich es beim Lesen ebenso empfinden wie Sie. Das W. ist entscheidend. Vielleicht muss man in W. leben, um so etwas direkt nebeneinander stellen zu können. Weil es in W. eben immer nebeneinander steht.
Dass es ein literarischer Kunstgriff ist, war natürlich klar. Aber er ist eben in Anbetracht dieser Miniatur m. E. nicht gelungen.
Das "in W." erschließt sich dem Leser gar nicht, der nicht weiß, welche Stadt "W." ist. Und selbst wenn es klar wäre, welche Stadt "W." ist (mir ist es relativ klar), so wäre es abermals absurd, den Namen der Stadt fortlaufend immer nur noch bzw. immer gleich mit in Verbindung mit dem Lager zu denken (genau so unsinnig, wie es ist, den Ort "W."immer nur in Bezug auf das andere Ereignis zu "denken").
(Vor rd. 12 Jahren ergab es sich einmal, dass ich beruflich mit einem Kunden in Oswieczim zu tun hatte. Eine Firma, die etwas von der deutschen Firma, in der ich arbeitete, kaufen wollte. Wie hier vorgehen? Soll man sich aus Pietät vielleicht zurückziehen? Sollte ich fragen, warum man denn von einer deutschen Firma kaufte [der Grund war banal: der polnische Lieferant konnte nicht liefern]? Im nachhinein die Feststellung: Wie konditioniert muss man eigentlich sein, solche Fragen zu stellen?)
Sie sagen, es ist unsinnig, den Ort "W." immer nur in Bezug auf das "Ereignis" zu "denken". Ich sage: Es ist mir nicht mehr möglich, den Ort W. ohne dieses Ereignis zu denken. Ich kann die Menschen, speziell die alten, mir nicht mehr ohne dieses Ereignis denken. Vor allem dann nicht, wenn sie aus einer vermeintlichen Katastrophe eine tatsächliche machen wollen, wie gestern. So persönlich sie in diesem Moment auch sein mag.
Mit dem gleichen Furor hätten Sie die unzulässige Vereinnahmung des Stromausfalls als Katastrophe auch mit einer Naturkatastrophe oder einem Unglück assoziieren können. Dass Sie es nicht gemacht haben, resultiert ja aus Ihrer Sozialisation, Ihrem Empfinden, Ihrer historischen Einbindung, usw. Es wäre aber für mich ein ebenfalls falsches Bild gewesen. Meines Erachtens greift auch der Einwand, dass es sich hier um ein "Tagebuch" handele, nicht. Steht ein solcher Text daher unter Schutz?
Da ich aber akzeptiere, dass Sie Kritik in dieser Form nicht wünschen und sogar als persönlichen Angriff betrachten, werde ich mich hier auf Ihrem Blog nicht mehr äussern.
Ich stelle Ihnen ausdrücklich frei, den Teil meiner Kommentare zu löschen.
Sie greifen eine Tagebuchgeschichte auf, schreiben dazu, was Ihnen nicht gefällt, und ich argumentiere, warum ich es trotzdem so schrieb. Schreiben MUSSTE. Was anderes kann ein Tagebuch denn sein, als persönlich?
Es bleibt Ihnen ja unbenommen, das nicht gut zu finden, das schrieb ich bereits oben, dass ich Ihre Kritik akzeptiere.
Sogar ohne sie vollkommen verstanden zu haben. Schon gar nicht als persönlichen Angriff, wie Sie vermuten.
Ich versuche nur, den Unterschied in unserer Motivation bei diesem Thema herauszufinden. Sie schrieben über Polen. Ich lese: Sie fühlen sich schuldig. Konditioniert. Ich nicht. Ich nehme übel.
Vielleicht verstehe ich später einmal, was Sie mir eigentlich sagen wollten. Ich betrachte nicht. Ich bin drinnen. Und da radikal. Das macht es sicher nicht einfacher.
Sie dürfen hier immer schreiben und kritisieren, ich sehe gar keinen Grund, das zu löschen. Sie müssen aber auch aushalten, dass ich mit meinen Mitteln und meiner Sprache argumentiere.