Kreuzungen
Es ist 10.00 Uhr. In einer Stunde geht mein Flieger nach Mailand. Ich müsste längst eingecheckt haben. Statt dessen sitze ich hier, auf dem Sofa bei B. in Berlin.
B. war meine erste "große" Liebe, damals, vor meinem Studium. Wobei ja jede Liebe jeweils die große ist, jedenfalls empfindet man das währenddessen so. Im Nachhinein muss ich sagen: es war eine der intensivsten.
Wir lernten uns beim Theaterspielen kennen. Die klassische Variante: Liebespaar spielt Liebespaar und verliebt sich ineinander. Wir spielten sozusagen weiter, nachdem das Stück längst abgesetzt war. Bis B. für ein Engagement ans Theater nach K. ging. Den handschriftlichen Briefen, die mich von dort erreichten, fehlte allerdings der tragische Tonfall, den ich mir von einem Geliebten erwartet hatte, der schließlich gezwungen war, fernab von mir sein Dasein zu fristen. Das muss mich so geärgert haben, dass ich aufhörte, sie zu beantworten. Behauptet B. Genau wissen wir beide nicht, warum wir uns damals eigentlich trennten. Jedenfalls haben wir uns irgendwann aus den Augen verloren.
12 Jahre später leben wir in der Welt von Facebook und Stayfriends. Es ist quasi unmöglich, jemanden aus den Augen zu verlieren, es sei denn, er lebt völlig abgeschnitten an einem Ort der Welt ohne Internet oder bedient sich dessen nicht. Die Vergangenheit mit B. klopfte in Form einer Nachricht in meinem Facebook-Postfach an: "B. möchte Sie gerne zu seinen Freunden hinzufügen." Prima, dachte ich, endlich macht dieses Zeugs mal Sinn. Es melden sich ja oft genug Gestalten, die man lieber für immer verloren geglaubt hätte. In diesem Fall war das nicht so, und wir telefonierten am nächsten Tag miteinander. Es war schnell klar, dass wir - die wir beide viel und gerne erzählen - dies nicht am Telefon bewältigen würden. Wir mussten uns also "mal treffen."
Da mein Flieger nach Mailand heute von Berlin geht, bot es sich an, einfach eher zu fahren und B. dort noch zu treffen.
Als er mir gestern die Tür öffnete, war ich überrascht. Ich hatte erwartet, ihn älter vorzufinden. Ich suchte nach kleinen Anzeichen des Verfalls, aber er hat sich kaum verändert, bis auf ein paar Lachfältchen um die Augen. Sein blondes Haar fiel ihm ins Gesicht, und die blauen Augen lächelten schelmisch. Während ich jedoch fand, er sähe wie früher aus, attestierte er mir Reife. Er sagte tatsächlich, ich sei reifer geworden. Ich beschloss sofort, dass er geistige Reife meinte, fragte allerdings nicht weiter nach.
Was soll ich sagen. Wir reden immer noch. Über seine kurze Ehe mit einer Frau, von der er ein Kind bekommen hat (ich sage dies bewusst so und nicht umgekehrt), um dessen Sorgerecht er nun kämpft. Über diesen Kampf, der ihm kaum Kraft lässt für Anderes und über ein Leben mit der ständigen Angst, sein Kind zu verlieren. Über Wege, gegangene und nicht gegangene. Über Dinge, die wir mit aller Kraft gewollt und auch getan haben, wenn auch aus den falschen Gründen. Vor allem aber lachen wir viel.
Ich habe noch immer ein wenig Angst vor seiner Schönheit. Es ist eine irritierende Schönheit, die mich bereits früher verstören konnte. Ich mag sein Lächeln. Es ist ein Lächeln, welches diese bis in die letzten Züge seines markanten Gesichtes hineingemeißelte Schönheit etwas aufzuweichen vermag.
In Berlin läuft gerade das Internationale Literaturfestival.
Zum Flughafen schaffen wir es jetzt sowieso nicht mehr.
B. war meine erste "große" Liebe, damals, vor meinem Studium. Wobei ja jede Liebe jeweils die große ist, jedenfalls empfindet man das währenddessen so. Im Nachhinein muss ich sagen: es war eine der intensivsten.
Wir lernten uns beim Theaterspielen kennen. Die klassische Variante: Liebespaar spielt Liebespaar und verliebt sich ineinander. Wir spielten sozusagen weiter, nachdem das Stück längst abgesetzt war. Bis B. für ein Engagement ans Theater nach K. ging. Den handschriftlichen Briefen, die mich von dort erreichten, fehlte allerdings der tragische Tonfall, den ich mir von einem Geliebten erwartet hatte, der schließlich gezwungen war, fernab von mir sein Dasein zu fristen. Das muss mich so geärgert haben, dass ich aufhörte, sie zu beantworten. Behauptet B. Genau wissen wir beide nicht, warum wir uns damals eigentlich trennten. Jedenfalls haben wir uns irgendwann aus den Augen verloren.
12 Jahre später leben wir in der Welt von Facebook und Stayfriends. Es ist quasi unmöglich, jemanden aus den Augen zu verlieren, es sei denn, er lebt völlig abgeschnitten an einem Ort der Welt ohne Internet oder bedient sich dessen nicht. Die Vergangenheit mit B. klopfte in Form einer Nachricht in meinem Facebook-Postfach an: "B. möchte Sie gerne zu seinen Freunden hinzufügen." Prima, dachte ich, endlich macht dieses Zeugs mal Sinn. Es melden sich ja oft genug Gestalten, die man lieber für immer verloren geglaubt hätte. In diesem Fall war das nicht so, und wir telefonierten am nächsten Tag miteinander. Es war schnell klar, dass wir - die wir beide viel und gerne erzählen - dies nicht am Telefon bewältigen würden. Wir mussten uns also "mal treffen."
Da mein Flieger nach Mailand heute von Berlin geht, bot es sich an, einfach eher zu fahren und B. dort noch zu treffen.
Als er mir gestern die Tür öffnete, war ich überrascht. Ich hatte erwartet, ihn älter vorzufinden. Ich suchte nach kleinen Anzeichen des Verfalls, aber er hat sich kaum verändert, bis auf ein paar Lachfältchen um die Augen. Sein blondes Haar fiel ihm ins Gesicht, und die blauen Augen lächelten schelmisch. Während ich jedoch fand, er sähe wie früher aus, attestierte er mir Reife. Er sagte tatsächlich, ich sei reifer geworden. Ich beschloss sofort, dass er geistige Reife meinte, fragte allerdings nicht weiter nach.
Was soll ich sagen. Wir reden immer noch. Über seine kurze Ehe mit einer Frau, von der er ein Kind bekommen hat (ich sage dies bewusst so und nicht umgekehrt), um dessen Sorgerecht er nun kämpft. Über diesen Kampf, der ihm kaum Kraft lässt für Anderes und über ein Leben mit der ständigen Angst, sein Kind zu verlieren. Über Wege, gegangene und nicht gegangene. Über Dinge, die wir mit aller Kraft gewollt und auch getan haben, wenn auch aus den falschen Gründen. Vor allem aber lachen wir viel.
Ich habe noch immer ein wenig Angst vor seiner Schönheit. Es ist eine irritierende Schönheit, die mich bereits früher verstören konnte. Ich mag sein Lächeln. Es ist ein Lächeln, welches diese bis in die letzten Züge seines markanten Gesichtes hineingemeißelte Schönheit etwas aufzuweichen vermag.
In Berlin läuft gerade das Internationale Literaturfestival.
Zum Flughafen schaffen wir es jetzt sowieso nicht mehr.
Terpsichore - 10. Sep, 10:46
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