spuren

wenn das meer
sich zurückzieht
manchmal da
blecken die nassen
klippen die zähne
triumph! – ha
dass sie
gestohlen
das blutende
fleisch vom
rücken der
leiber die -
eben noch
liebend - in
sand sich gegraben
nicht achtend
dass tieferes lauert
Terpsichore - 14. Aug, 10:21

Schreib ich mir eben selber einen!

Dieses mein Gedicht (also siehe oben) wurde bis heute 17 mal gelesen und war offensichtlich niemandem einen Kommentar wert. Gut, denk ich mir, muss ja nicht sein. Schreib ich halt selbst einen. Damit es nicht länger so einsam steht, mein Gedicht.

Als ich es zum ersten Mal einstellte, nämlich hier
http://albannikolaiherbst.twoday.net/stories/spuren/
da war es metrisch nicht gut und mit ein paar überladenen und falschen Bildern versehen, was sofort etliche Kritiker auf den Plan rief. Es wurde fast 2000 mal gelesen und über 130 mal kommentiert. Es regte scheinbar auf und die Diskussion an.
Das wollte ich dem Gedicht natürlich auf Dauer nicht zumuten, da so am Pranger zu stehen und sich schämen zu müssen für seine Verfasserin. Also grübelte ich. Wie mach ich das... schraubte hier ab und klebte da an, lies es vom Fachmann beschauen, bis ich sicher war, das geht jetzt so durch. Ist fertig. Also fertig im Sinne von herzeigbar. Jetzt aber! dachte ich, und stellte es hübsch frisiert in die Ausstellungsvitrine. Und was passierte: Nichts! Niemand schaute es mehr an. Niemand schrieb etwa darüber. Nicht ein einziger Kommentar. Als wäre es gar nicht da. Aber wieso denn nicht, jetzt, wo es doch gut ist! fragte ich verwundert mich selbst.

Vor allem die lauten Kritiker, die sich ja zum Teil ganz persönlich beleidigt fühlten von meinem Gedicht, also die könnten doch nun was Hübsches sagen, dachte ich. Zum Beispiel: Naja, ist ja doch noch ganz .....
Nö. Nichts!

Darüber wundere ich mich natürlich. Und frage mich nach der Ursache dieser Wirkung. Sind schlechte Gedichte besser als gute Gedichte? Oder spontane besser als durchdachte? Lesen die Menschen nach den selben Prinzipien, wie sie alles andere betrachten in der Welt? Ein Autounfall! Oh, wie interessant, guck mal, voll zerfetzt. (Ganze Menschen gibts ja genug, aber kaputte oder missratene, da lohnt sich mal ein Hinguckerchen.) Um sich schnell der eigenen Unversehrtheit zu versichern, oder sich weiterhin über die stumpfsinnige Bedeutungslosigkeit des eigenen Daseins hinwegtäuschen zu können... Warum auch immer, fest steht:
In der "schlechten" Version gabs viele Leser. Am Ende der Diskussion steht ein korrigiertes, aber ungelesenes Gedicht. Also nunmehr nur noch Schlechtes schreiben, das wird auf jeden Fall gelesen?

Nö. Eindeutig nö.

steppenhund - 14. Aug, 10:56

Also mir gefällt die erste Fassung eindeutig besser. Viele der Einwände dagegen verstehe ich nicht. Die ausufernde Diskussion zwischen einzelnen Kommentatoren halte ich für schlichte xxx.
-
Mag sein, dass die zweite Form die bessere, richtigere, poetischere ist. Da entstehen allerdings keine Bilder in mir, während die erste Fassung ganz deutliche Spuren hinterläßt.
Terpsichore - 14. Aug, 11:05

Lieber Herr Steppenhund,
das Wort mit W nimmt sich zwar äußerst unschön auf meinem rosa Papier aus ;-) , aber ich bin ich Ihnen sehr dankbar für Ihre Meinung. Es ist seltsam, die erste Fassung hat mich selbst auch viel mehr bewegt, besonders das Schreiben an sich war intensiver im Gefühl als die spätere Vivisektion. Instinkt, Instinkt sage ich nur.
steppenhund - 14. Aug, 21:05

Also das W-Wort habe ich ausgeixelt. Hauptsache, es ist angekommen, wie sehr mich bestimmte Kommentare dort anwidern.
Wenn jemand schon etwas besser wissen will, dann darf das nur ich sein. Da habe ich schließlcih einen Ruf zu verteidigen:)))
ConAlma - 15. Aug, 03:16

Es liegt nicht am Gedicht. Es liegt an der Seite.
Hier liegt es ruhig. Und gut.
phryne - 15. Aug, 06:19

Ihr Gedicht haben Sie in der neuen letzten Fassung am 02.08. in der Die Dschungel eingestellt, am 01.08. deaktivierte ANH die anonyme Kommentarfunktion. Ich stimme Conalma zu, es liegt an der Site, im Grunde aber an der Zielperson, was ANH ja auch immer wieder sagte. Ihnen stimme ich auch zu, schlechte Gedichte ziehen die Meinungen an, gute erfahren mitunter keine, aber auch nicht immer, was man an der Tatsache des Entgleitens der Kommentarstränge auch unter guten Gedichten, die drüben eingestellt werden, erfahren kann. Wiewohl ich hier mal sagen möchte, daß mir ihre erste Fassung sehr gut gefiel. Neulich schrieb mir jemand, er säße gerade über der Metrik, würde feststellen, daß er ein jegliches Gefühl für den Text immer mehr verlieren würde, je mehr er sich um die Form bemühe. Es ist immer eine Gratwanderung... ich würde es jetzt so stehen lassen, manchmal passiert es, daß man es ein Jahr oder noch länger so stehen läßt, beim späteren dann erneut darüber schauen plötzlich feststellt, wie es anders besser klingen könnte. Die erste Fassung klingt emotionaler, für mich wie das S e i n dieser Situation in seinen folgenden Schwingungen in diesem Moment noch wahrnehm- und fühlbar, und auch noch sichtbar. Die zweite Fassung hat mehr Abstand... wie der Blick von Vermutung dessen, was gewesen sein könnte.
steppenhund - 15. Aug, 10:32

@Phryne

Diesem Kommentar kann ich auch gut nachfolgen...
Terpsichore - 16. Aug, 00:51

Operation gelungen, Patient tot?

@ phryne: Das hatte ich vage gefühlt, konnte es aber nicht benennen. Das Metrum gab mir Sicherheit. Um den Preis der Unmittelbarkeit. Das ist eine sehr seltsame Erfahrung mit diesem Gedicht. Dieses Pressen eines Inhaltes in eine Form ist wahrscheinlich kein sinnvoller Weg, ich hätte es gleich im Metrum denken müssen. Alles andere ist Amputation.

conalma: Ja, nun friedhofsruhig. :-)
phryne - 16. Aug, 08:07

Nein, der Patient ist nicht tot, er lebt. Nach jeder Operation wird der Patient anders wach, jede birgt ihre eigenen Erfahrungen, die manchmal auch dazu führen, daß nach dieser eine Zäsur des Lebens fällig ist. Einen Text innerhalb einer Metrik unterzubringen, bedeutet immer Zäsur, diese wirkt häufig in Gedichten auf mich wie ein Blick auf's Ganze, für mich persönlich auch oft einen retrospektiven Blick beinhaltend. In Ihrer ersten Fassung ist es der unmittelbare Augenblick danach. E i n Paar lag dort am Strand, in dem Moment, wo man schaut, und gerade noch den Abdruck ihres Körpers im Sande sehen kann, kommen die Wellen, nehmen alles mit, die Klippen glänzen, auf ihnen noch dunkel der Rest des Fleisches. In Ihrer zweiten Fassung wirkt es auf mich wie ein Blick auf die Gesamtheit aller Paare, die dort lagen, und gleichzeitig entsteht in mir die Vorstellung aller Paare, die dort künftig liegen werden... und das Meer tut immer das gleiche, es nimmt wieder mit, stetig und unentwegt. Das Meer gibt, das Meer nimmt... so wie das Leben es auch tut, und das kommt in ihrer zweiten Fassung an die Oberfläche. Ihre zweite Fassung mußte ich mehrere Male lesen, bis der Sog entstand.

Wie gesagt, alles unter dem Blickwinkel des Subjektiven. In jedem entsteht ein Anderes, wenn er einen Text liest.


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Vielleicht ist das so....
Vielleicht ist das so. Vielleicht kommt es bei einer...
Terpsichore - 22. Aug, 10:22


Das Weblog TERPSICHORE wird vom Deutschen Literaturarchiv Marbach archiviert und der Öffentlichkeit auch andernorts zugänglich gemacht. Mitschreibende erklären sich einverstanden.


und-stieht-

Comments

Aha,
help
Vielen lieben Dank, aber...
help

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