Terpsichore schläft
Wenn die Singende in mir zu lebendig wird, an Tagen vieler Arbeit, schweigt die Schreibende. Dann ist keine Stille mehr da für das Wort. Und umgekehrt. Dieses Phänomen beobachte ich seit einiger Zeit.
Es gibt Tage, da sind nur Worte in mir. Keine Melodien. Ich habe auch keine Stimme. Kann überhaupt nicht singen. Verstehe auch nicht, wie ich überhaupt jemals habe singen können. Statt dessen: Worte. Ganze Sätze. Von unausprechlicher Schönheit. Da ich sie nicht aussprechen kann, versuche ich, sie aufzuschreiben. Doch nicht immer bleibt Gedachtes am Leben, wenn man es aufschreibt. Manches zerfällt zu Staub, wenn ich es ans Licht zerren will. Oder es entzieht sich. Verflüchtigt sich. Wie ein Duft, der vorbeiweht. Nicht erinnerbar.
Bin ich zu sehr in der Musik, geht die Sprache. Sie räumt das Feld. So muss es sein. Musik ist zu stark, zu laut. Zu mächtig. Musik hat mir immer Angst gemacht. So schrecklich und schön zugleich. Sich ihr zu entziehen, fällt schwer. Ein Sog. Ein Fluch vielleicht. Oder nein. Ein Urteil. Ich habe mich selbst verurteilt. Lebenslänglich habe ich mir gegeben. So ist es nun einmal, und es macht gar keinen Sinn, sich darüber hinwegzutäuschen. Dass ich gefangen bin. Es ist natürlich der schönste Ort der Welt. Aber es ist eben, wie die Dinge nun einmal stehen, ein Gefängnis.
Die Tage, an denen ich ausbreche, sind gestohlene Tage. Ich stehle sie der Musik. Stehle mich weg von ihr und werde stumm. Ich verbringe sie im Gedachten. Im Leisen. Im leise Gedachten. Immer im Unaussprechlichen. Manchmal im Aufgeschriebenen. Vor allem aber im Unmöglichen. Das muss ich mir ganz klar sagen. Ich verbringe sie in der Unmöglichkeit einer Welt, die mein Innerstes ist. Ich bin die Asylantin meiner eigenen Seele.
Terpsichore schläft.
Es gibt Tage, da sind nur Worte in mir. Keine Melodien. Ich habe auch keine Stimme. Kann überhaupt nicht singen. Verstehe auch nicht, wie ich überhaupt jemals habe singen können. Statt dessen: Worte. Ganze Sätze. Von unausprechlicher Schönheit. Da ich sie nicht aussprechen kann, versuche ich, sie aufzuschreiben. Doch nicht immer bleibt Gedachtes am Leben, wenn man es aufschreibt. Manches zerfällt zu Staub, wenn ich es ans Licht zerren will. Oder es entzieht sich. Verflüchtigt sich. Wie ein Duft, der vorbeiweht. Nicht erinnerbar.
Bin ich zu sehr in der Musik, geht die Sprache. Sie räumt das Feld. So muss es sein. Musik ist zu stark, zu laut. Zu mächtig. Musik hat mir immer Angst gemacht. So schrecklich und schön zugleich. Sich ihr zu entziehen, fällt schwer. Ein Sog. Ein Fluch vielleicht. Oder nein. Ein Urteil. Ich habe mich selbst verurteilt. Lebenslänglich habe ich mir gegeben. So ist es nun einmal, und es macht gar keinen Sinn, sich darüber hinwegzutäuschen. Dass ich gefangen bin. Es ist natürlich der schönste Ort der Welt. Aber es ist eben, wie die Dinge nun einmal stehen, ein Gefängnis.
Die Tage, an denen ich ausbreche, sind gestohlene Tage. Ich stehle sie der Musik. Stehle mich weg von ihr und werde stumm. Ich verbringe sie im Gedachten. Im Leisen. Im leise Gedachten. Immer im Unaussprechlichen. Manchmal im Aufgeschriebenen. Vor allem aber im Unmöglichen. Das muss ich mir ganz klar sagen. Ich verbringe sie in der Unmöglichkeit einer Welt, die mein Innerstes ist. Ich bin die Asylantin meiner eigenen Seele.
Terpsichore schläft.
Terpsichore - 4. Sep, 21:44
14 Kommentare - 1523 mal gelesen - Kommentar verfassen
steppenhund - 4. Sep, 23:01
Musik bedeutet die Welt in anderen Dimensionen. Es gibt eigentlich nur wenige Berührungspunkte mit der realen Welt, obwohl es so aussieht als würde Tanz und Musizieren eine sehr enge Verbindung darstellen. In Wirklichkeit erleben wir die Musik so, als gäbe es eine strahlende Sonne am Himmel. Dann sind wir auch anders eingestimmt, als wenn dicke Wolken den Himmel verhüllen.
antworten
L.L. (Gast) - 5. Sep, 22:36
kurz
Doch nicht immer bleibt Gedachtes am Leben, wenn man es aufschreibt.
vorschlag: Doch wie bleibt Gedachtes am Leben, wenn man es aufschreibt? oder vielleicht besser: Doch wie bleibt Gedachtes lebendig, wenn man es aufschreibt?
Manches zerfällt zu Staub, wenn ich es ans Licht zerren will. Oder es entzieht sich. Verflüchtigt sich. Wie ein Duft, der vorbeiweht.
reicht!
Es ist natürlich der schönste Ort der Welt. Aber es ist eben, wie die Dinge nun einmal stehen, ein Gefängnis.
vorschlag: Es ist natürlich der schönste Ort der Welt. Aber es ist eben, wie die Dinge nun einmal sind, ein Gefängnis.
Immer im Unaussprechlichen.
vorschlag: An der Grenze zum Unaussprechlichen und Unmöglichen, das mein Innerstes ist. Ich bin die Asylantin meiner Seele. Terpsichore schläft.
ich hoffe, ich nehme mich nicht wie ein hauptlehrer aus.
liebe grüße
dein L.
vorschlag: Doch wie bleibt Gedachtes am Leben, wenn man es aufschreibt? oder vielleicht besser: Doch wie bleibt Gedachtes lebendig, wenn man es aufschreibt?
Manches zerfällt zu Staub, wenn ich es ans Licht zerren will. Oder es entzieht sich. Verflüchtigt sich. Wie ein Duft, der vorbeiweht.
reicht!
Es ist natürlich der schönste Ort der Welt. Aber es ist eben, wie die Dinge nun einmal stehen, ein Gefängnis.
vorschlag: Es ist natürlich der schönste Ort der Welt. Aber es ist eben, wie die Dinge nun einmal sind, ein Gefängnis.
Immer im Unaussprechlichen.
vorschlag: An der Grenze zum Unaussprechlichen und Unmöglichen, das mein Innerstes ist. Ich bin die Asylantin meiner Seele. Terpsichore schläft.
ich hoffe, ich nehme mich nicht wie ein hauptlehrer aus.
liebe grüße
dein L.
Terpsichore - 5. Sep, 22:54
Hannibal Lektor?
Nein, nur wie ein Nebenlehrer. :-))))
"Aber es ist eben, wie die Dinge nun einmal sind, ein Gefängnis." - "Stehen" fand ich besser, weil fester. Ich hätte auch sagen können: wie die Dinge nun einmal liegen, aber das ist auch lasch.
"am Leben" oder "lebendig". Das hatte ich mir auch mehrmals überlegt und immer wieder geändert. Bis ich mich für am Leben entschied. Es ist radikaler als lebendig.
Den Rest habe ich geändert. Danke dir dafür!!!
"Aber es ist eben, wie die Dinge nun einmal sind, ein Gefängnis." - "Stehen" fand ich besser, weil fester. Ich hätte auch sagen können: wie die Dinge nun einmal liegen, aber das ist auch lasch.
"am Leben" oder "lebendig". Das hatte ich mir auch mehrmals überlegt und immer wieder geändert. Bis ich mich für am Leben entschied. Es ist radikaler als lebendig.
Den Rest habe ich geändert. Danke dir dafür!!!
L.L. (Gast) - 5. Sep, 22:42
kurz
liebe t.
damit du weisst, so wie du schreibst, habe ich dich, glaube ich, hör ich noch, ja, hör ich noch, in der badewanne und im treppenhaus singen gehört.
damit du weisst, so wie du schreibst, habe ich dich, glaube ich, hör ich noch, ja, hör ich noch, in der badewanne und im treppenhaus singen gehört.
parallalie - 6. Sep, 19:27
SPRICHWORTE (1966-1969) /// EINS (Rom, im Bett, dösend, in der nacht vom 27. auf den 28. juni 1966) // man beginnt zu singen / und man singt, um zu enden // ZWEI // zum singen ist geboren, / wer vom lieben stirbt // zum lieben ist geboren, / wer vom singen stirbt // DREI // wer zum singen geboren, / singt auch im sterben // VIER // wer zum lieben geboren, / wird vom lieben sterben // FÜNF // bei der geburt weißt du nichts / im leben lernst du wenig / im sterben aber wird dir scheinen / die einzige lehre / sei diejenige, die sich läutert / wenn sie in der liebe sich absondert // SECHS // wir könnten fortfahren
Giuseppe Ungaretti (dt. von mir, hatt' ich mal bei mir eingestellt)
Giuseppe Ungaretti (dt. von mir, hatt' ich mal bei mir eingestellt)
Terpsichore - 6. Sep, 22:34
So ist es, es gibt keinen Ausweg.
Ungaretti las ich nie. Das muss ich bald nachholen. Oder kann ich mir Zeit lassen, ist er ein Autor für das Alter?
Ungaretti las ich nie. Das muss ich bald nachholen. Oder kann ich mir Zeit lassen, ist er ein Autor für das Alter?
ConAlma - 6. Sep, 22:42
Angesichts von FÜNF würd ich sagen, ja, auch später, dann, noch zu lesen. Aber dann SECHS, wie ist das mit dem Fortfahren?
Gedachtes am Leben halten - mir zerfällt es im Fahren. Ich fahre so viel. Und dann ist es in die Landschaften entwichen, die ich mittlerweile auch mit Musik besetzt habe. Froh bin ich dann, wenn ich anderswo lesen kann.
Gedachtes am Leben halten - mir zerfällt es im Fahren. Ich fahre so viel. Und dann ist es in die Landschaften entwichen, die ich mittlerweile auch mit Musik besetzt habe. Froh bin ich dann, wenn ich anderswo lesen kann.
parallalie - 6. Sep, 23:08
glaub' nicht, er sei für das alter:
Es ist Heißhungerstunde, Stunde dir, Narr du.
Reiß aus dir das Herze.
Es schmecket salzig sein Blut, und schmecket
Säuerlich, und süßlich ist’s, wie’s dem Blut nun mal eigen
Es verleihen der Tränen
So viele immer mehr Würze ihm, deinem Herzen.
So vieler Tränen Frucht, dieses dein Herze,
Reiß es dir aus : schling’s runter : iß satt dich daran.
Giuseppe UNGARETTI (dt. von mir - doch, ich mag meine u-übersetzungen)
zu SECHS, liebe Frau Alma: die landschaft paßt als klangkörper dazu sehr. das perspektivische weichen der fluchtlinien. sie zersingen. das beschreiben.
Es ist Heißhungerstunde, Stunde dir, Narr du.
Reiß aus dir das Herze.
Es schmecket salzig sein Blut, und schmecket
Säuerlich, und süßlich ist’s, wie’s dem Blut nun mal eigen
Es verleihen der Tränen
So viele immer mehr Würze ihm, deinem Herzen.
So vieler Tränen Frucht, dieses dein Herze,
Reiß es dir aus : schling’s runter : iß satt dich daran.
Giuseppe UNGARETTI (dt. von mir - doch, ich mag meine u-übersetzungen)
zu SECHS, liebe Frau Alma: die landschaft paßt als klangkörper dazu sehr. das perspektivische weichen der fluchtlinien. sie zersingen. das beschreiben.
Terpsichore - 7. Sep, 00:58
im leben lernst du wenig/
und man singt um zu enden/
man beginnt zu singen/
im sterben aber wird dir scheinen/
wer vom singen stirbt/
zum lieben ist geboren/
wir könnten fortfahren/
Ich mag Ihre Übersetzung auch. Das können Sie jetzt sogar wieder rückübersetzen! ;-)
und man singt um zu enden/
man beginnt zu singen/
im sterben aber wird dir scheinen/
wer vom singen stirbt/
zum lieben ist geboren/
wir könnten fortfahren/
Ich mag Ihre Übersetzung auch. Das können Sie jetzt sogar wieder rückübersetzen! ;-)
Terpsichore - 7. Sep, 01:43
@conalma
Der Begriff Feld- Wald- und Wiesenmusik (wahlweise -lyrik) bekommt doch so eine viel größere Bedeutung.
Der Begriff Feld- Wald- und Wiesenmusik (wahlweise -lyrik) bekommt doch so eine viel größere Bedeutung.
parallalie - 8. Sep, 20:21
factum est:
imparato non ho
se non per finta
di cantare
e la voce muore
là dove finisce
la parola
e comincia il canto
ma poi ti sembra
di essere in amore
e ricominci da capo
chiedendoti
di quanta n’è
di voce per il solo
fatto di essere nato
imparato non ho
se non per finta
di cantare
e la voce muore
là dove finisce
la parola
e comincia il canto
ma poi ti sembra
di essere in amore
e ricominci da capo
chiedendoti
di quanta n’è
di voce per il solo
fatto di essere nato
Terpsichore - 8. Sep, 21:59
Das
werde ich mir mit nach Mailand nehmen, übermorgen. Und es dort übersetzen. Auf einer Piazza sitzend, Kaffee trinkend.
Rom gedenkend.
Pavese.
Und uns.
Rom gedenkend.
Pavese.
Und uns.
parallalie - 8. Sep, 23:44
schicken Sie mir das sich ergebende! das ganz anders klingen darf als das, was sich mir ergab, das wiederum ganz anders klang als das, was sich Ihnen ergab. es ergibt sich. ja das eine besonders, von pavese. er, über den platz in rom... muß es nachlesen. und fiele mir eine fichtennadel dann aufs buch... top!
Terpsichore - 24. Mai, 20:12
Ah, dass ich
dies heute fand!
War doch gestern erst
dass Terpsichore schlief.
Aber Erwachen ist immer.
War doch gestern erst
dass Terpsichore schlief.
Aber Erwachen ist immer.