Vom Nichts, das irgendwie nicht sein kann.
Letzte Nacht träumte ich von den toten Großeltern stiefväterlicherseits. Es war das erste Mal, dass ich in dieser Art vom Tod träumte. Dieses gefühlsmäßige Erfassen von etwas, das nicht wiederkehrt, niemals wiederkehren kann, ist eine völlig neue Erkenntnis für mich. So fühlt sich also der Tod an, dachte ich. Nicht die Idee vom Tod, sondern das Nichts, das er ist. Es erfasste mich solcher Wucht, dass ich aufwachte und die restliche Nacht wach lag. Die ganze Vergänglichkeit des Lebens, auch meines eigenen, wurde mir auf einmal derart intensiv ins Gefühl gedrückt, dass ich sofort beschloss, mindestens ein Kind zu bekommen und jede Woche einmal meine Mutter zu besuchen. Damit nicht Nichts bleibt. Dafür haben wir kein Programm, das zu begreifen. Dass Nichts von uns bleibt. Dabei ist eigentlich alles wurscht, wenn man sich tatsächlich mal traut, zu erfühlen, was das heisst, dass eines Tages sowieso alles vorbei ist. Auch ob wir erfolgreich oder nicht oder einsam oder mit Nachkommen gesegnet sterben. Fakt ist, dass wir einfach nicht mehr da sind. Da ändert auch kein geschriebenes Buch was dran. Das wirklich zu erfassen, sich nicht dem Trost und der Illusion hinzugeben, dass da noch was bleibt von oder für uns selbst, und selbst wenn, wird auch das eines Tages vergessen sein, Geschichte zumindest, und die, die sich erinnerten, werden selbst sterben etc... Ein einziger Kreislauf des Todes. Von vorne betrachtet sieht das Leben so zukünftig aus. Diese Nacht habe ich es vom Ende aus gesehen. Das wirft völlig andere Seiten auf. Wieso verschieben sich die Wertigkeiten so plötzlich? Überhaupt. Mit dem Sterben ist das so eine Sache. Und mir fällt wieder Parallalies Satz ein:
Gehen ist ein Tanz, den einem Niemand beigebracht.
Gehen ist ein Tanz, den einem Niemand beigebracht.
Terpsichore - 28. Nov, 09:26
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parallalie - 1. Dez, 21:52
leider kommt solche erkenntnis leicht abhanden. oder so: diese erkenntnis wird durch leben-wollen-botschaften sublimiert in der gesellschaft der lemminge. das unweigerliche leben. von sein spricht niemand mehr. sein ist immer, solange es ist. und leben das eingemachte. wenn's geht, auf ewig. gehen ist dann nicht ein verlassen von irgendetwas, sondern ein ausdruck des seins. kein abschied. kein ankommen. insofern auch wieder ein nichts. ein tischlein-deck-dich.
Terpsichore - 5. Dez, 17:52
Das sieht man ja schon an dem neuesten Trend, sich doch vorsorglich einfrieren zu lassen, für den Fall, dass sich in absehbarer Zeit jemand findet, der einen wieder lebendig auftaut. Also diese Sehnsucht nach Ewigkeit...
Aber es geht nicht um den Kreislauf des Todes. Es ist eine Präsenz der Kategorie Leben.
Stellen wir uns vor, dass wir nicht sterben müssten. Im Endeffekt ein unvorstellbarer Gedanke. Die meisten Personen würden vor Langeweile freiwillig sterben.
Etwas hinterlassen?
Das beschäftigt mich eher. Die Frage ist zwar bereits mit Kindern und Enkelkindern beantwortet. Doch erst seit relativ kurzer Zeit habe ich erkannt, dass dies wirklich eine Legitimation bedeutet. Früher wollte ich noch immer etwas hinterlassen, damit sich auch Fremde an mich erinnern. Etwas Positives. Solange noch einer an einen denkt, ist man nicht gestorben, selbst wenn die Würmer alles aufgefressen haben.
Falls wir aber wirklich rückstandslos dahin scheiden, dann haben wir im Leben die Schönheit erlebt. Dann waren wir ein Zufall, doch ein schöner Zufall, wie ein Bild im Kaleidoskop entsteht. Einmal schütteln und es ist wieder weg. Oder so wie diese Sandbilder.
Aber die Gedanken sind ein Resultat unserer westlichen Kultur, unserer Egozentrik.
Wenn wir uns nicht so ernst nähmen, wäre der Tod überhaupt kein Problem für uns.
"Solange noch einer an einen denkt, ist man nicht gestorben, selbst wenn die Würmer alles aufgefressen haben." Genau da liegt ja der Irrtum. Natürlich ist man gestorben, man ist nur nicht vergessen. Irgendwann aber auch das. Ich meinte das gefühlsmäßige Erfassen der Unwieder-bringlichkeit eines Menschen, sei es nun Verwandter oder Freund. Da liegt so eine Endgültigkeit darinnen, die mir so nie bewusst war, weil ich auch noch nie einen mir nahen Menschen durch den Tod verloren habe. Dass es dann eben vorbei ist, und zwar endgültig. Aber wahrscheinlich haben wir deshalb als Trostprogramm die Religionen, weil uns das andere in seiner Radikalität wahrscheinlich lähmen würde, wenn es uns immer so ins Bewusstsein schlüge. Dieses "Licht aus und Ende".